Die Überschrift irritiert wohl sofort den einen oder anderen Fan. Bei Hertha BSC scheiterte er in der vergangenen Saison durch oft eigenes Verschulden. Aber Klinsmann soll „den FC Bayern in die Moderne geführt“ haben, wovon der Verein „bis heute profitiert“. Daher sehr interessant, wenn man die Aussagen vom damaligen Co-Trainer (Hitzfeld) und Chef-Analytiker (Klinsmann) Michael Henke (63) beim Sportportal „SPOX“ genauer betrachtet.
„Klinsmann hat sofort viele neue Impulse reingebracht – und zwar längst nicht nur die Buddhas auf dem Dach“, erzählte der aktuelle Sportdirektor des FC Ingolstadt dem Sportportal „SPOX“. Der Heilsbringer sorgte damals für einen raschen Umbau des Vereinsgeländes und schuf Aufenthaltsräume, die heute noch genutzt werden. „Ordentliches Essen“ am Trainingsgelände sowie ein Zugang zu Sportpsychologen habe man ihm ebenso zu verdanken wie eine eigene Analyseabteilung.
Besonders der Teil, wo die Analyseabteilung genannt wird, dürfte sehr spannend sein, denn zu der Zeit war der Bereich „Spielanalyse“ in Deutschland noch weit in den Kinderschuhen gegenüber England und den USA, die diesen Bereich in ihren traditionellen Ballsportarten schon Jahrzehnten nutzten. Heute hat der FC Bayern mehrere Analytiker für verschiedene Aufgaben Scouting, Spielnachbetrachtung, Gegnerbeobachtung, Spielerdaten. Bereiche, die deutlich für den heutigen Erfolg und sicherlich auch für die Titel, die nach Klinsmann folgten.
Aber es gab das Problem der Kommunikation in den ersten Monaten, die danach nicht ausgebaut werden konnten, das Klinsmann und Team schnell wieder entlassen wurden.
Henke nennt Klinsmann eher einen „Stabschef“ rund um ein Trainerteam. „Der Kommunikationsprozess an sich war aber nicht optimal“, meint Henke. Er habe die Themen auf Deutsch ausgearbeitet und diese in „mäßigem Englisch“ an Klinsmann und sein mehrsprachiges Team weitergegeben. „Bei so einem Prozess gibt es automatisch inhaltliche Verluste“, so Henke im Interview. Möglicherweise als Spekulation wären diese Probleme in einer 2.Saison gelöst worden.
„Klinsmann war seiner Zeit voraus“ so das Lob von Michael Henke. Klinsmanns Bilanz bei den Bayern, nur Zweiter Ende 2008 hinter Herbstmeister 1899 Hoffenheim mit Ralf Rangnick. 2008/09 holte er 1,86 Punkte/Spiel in der Bundesliga. Nach dem 0:1 gegen Schalke am 18.April 2009 wurde Klinsmann entlassen, zuvor gab es historische Niederlagen wie das 1:5 gegen den späteren Meister Wolfsburg sowie das 0:4 im CL-1/4-Finale gegen Barca, wo damals das Team von Pep Guardiola die Bayernstars kaum an den Ball gelassen hat.
Vor Klinsmann (vor 2009) bestand das Analyse-Team der Bayern lediglich aus „ein paar Scouts, die sich Spiele und Spieler angeschaut haben“, wie Henke sich erinnert. Damals seien die Vorgänge angesichts der technischen Begebenheiten „deutlich aufwendiger“ gewesen als heute. Klinsmann war sicherlich kein Toptrainer, aber ein Visionär, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, um den FC Bayern in eine neue moderne Richtung zu weisen. Das verdient der Anerkennung.
Michael Henke ist heute Sportdirektor beim FC Ingolstadt, war Co-Trainer unter Ottmar Hitzfeld. So gewannen die Bayern fünf Meisterschaften, dreimal den DFB-Pokal und holten 2001 die Champions League 25 Jahre nach dem letzten Titelgewinn 1976 nach München.
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