Nach dem ich am Samstagabend einen Shitstorm via twitter bekommen habe, weil ich Kritik an einen 4:1-Sieg öffentlich machte, ich mir teils Beleidigungen, aber auch amüsante Kommentare gefallen lassen musste. Was komplett fehlte, war eine Gegenargrumentation meiner Kritik. Sie fehlte schlichtweg. Man kann mich ja fragen, wie zu dieser kritischen Erkenntnis gelange. Tat man nicht.
Mit Äußerungen wie „…wer die wenigsten Fehler macht“ kann ich nichts anfangen, es sei denn es ist eine nette Trainer-Philosophiestunde und so Dinge erzählt von „Der Ball ist rund und muss ins Eckige“. Zudem kann ich keine Fehler machen und ein Guardiola-Spielzug nach Rasenschachart und 50 Pässen zuvor bringen mir dennoch die Niederlage.
Daher eben Rasenschach solange, bis die 1-Meter-Lücke da ist und ein nicht zu verteidigender Pass entsteht.
DARUM geht es im Fußball. WIE komme ich zum Torabschluß, ohne das der Gegner einen Fehler macht. Denn wenn man nur auf Fehler warte, brauche ich keine Taktikbücher. Ich spiele dann irgendwie drauf los und irgendwann wird der Gegner schon einen Fehler machen. Erzähle man das mal bei der Sporthochschule Köln. Sie werden an den Kursen nicht mehr teilnehmen.
Versprochen.
Seit 20 Jahren analysiere ich Spieler und Spiele des FC Bayern und auch andere Begegnungen. Analysieren, was ist das eigentlich ? Was passiert da eigentlich ? Aha….die Laptoptrainer. Nun, so jemand war und ist immer noch Hansi Flick, der 2020 zum Legendenjahr machte. All diese neuen „Figuren“ neben den Co-Trainern, die mit ihren Tablets während des Spiels hin und her klicken, auch bei Trainingszeiten. Erst recht im Bus bei Heimfahrt, nachts, vormittags im Gebäude an der Säbener Straße. Dort laufen permanent Daten und Videoclips rauf und runter. Analysen sind die Waffen des modernen Fußball. Keine Spielerei, sondern ernsthafte Wissenschaft. Für Fans klingt das nach Quatsch hoch 3. Verständlich.
Noch nie hat ein Fan (ich gehe von aus, das es nicht viele wie ich machen) Stunden nach den Spielen und die darauffolgenden Tage sich mit der Netto-Leistung des Teams beschäftigt. Eine ganze Saison, 20 Jahre lang. 800 Spiele, 72000 Minuten, 80000 Werte bei beiden Teams eingetragen und bewertet. 5000 Videostunden. Fünftausend. Das sind 24 Stunden 14 Tage lang ohne Pause.
Wissen ist wichtig. Ich muss wissen, was ein Trainer weiß, ich muss wissen, wie Statistik funktioniert, ich muss Taktiksysteme mischen können je nach Spielermaterial, ich muss wissen, wann was ich beobachten muss und zurückspulen muss. Selbst wenn es dann 2 Stunden länger dauern sollte.
In einem Live-Spiel kann man nur 2-3% bei guten Hinschauen erfassen, weniger als 1%, wenn man permanent am Bier nippt oder quatscht oder bei twitter schreibt. Ein Analyst mit meiner Erfahrung ist in der Lage, in einem Livespiel jede wichtige Tendenz und Aktion zu erfassen, nach 800 Spielen hat man ein Gefühl sogar, wie das Spiel verteilt sind, ohne auf Daten zu schauen. Das sind viele Prozesse, die durchlaufen werden mussten.
Mir Wissen abzusprechen, dies haben schon sehr viele Fans. Allerdings müssten die Fans noch mehr Wissen haben als ich, noch mehr als Nagelsmann, da ja die Fans im ständig vorschreiben dies und jenes, einem Salihamidzic erklären wollen, wie Transfers getätigt werden für 50 Mio Euro in einem 1-Mrd-Kader, in einer Konzern-AG, wo Zahlen wichtiger sind als das runde Leder. Also sind Fans auch noch top in der Mikroökonomik (hae hier übrigens ein 900-Seiten-Schmöker darüber).
Ich habe deswegen keinen Hass, ich nehme es niemanden wirklich krum, denn ich war vor diesen 20 Jahren auch nicht anders, ein Fan, der nur Tore sehen wollte. Aber 2022 sollte ein Fan sich schon mehr mit Zahlen und Fußball auskennen als vor 30 oder 40 Jahren noch. Am Ende bleibt dann eben nur…
…Der Ball muss ins Eckige. Korrekt.
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